Eine Gewaltwelle überschwemmt die Karibik

Sicherheit ist planbar

Eine Gewaltwelle überschwemmt die Karibik

Eines der beliebtesten Fernreiseziele deutscher Urlauber, die Karibik, hat sich in kurzer Zeit zu der Weltregion mit den höchsten Mordraten entwickelt. Die einzelnen Karibikstaaten sehen die Gewalt des organisierten Verbrechens als ihr größtes Problem an.

Die Karibik hat sich in den vergangenen Jahren noch vor Zentralamerika zu der gefährlichsten Region der Welt entwickelt, berichtet das Portal „amerika21.de“. Länder wie Jamaika, St. Vincent und die Grenadinen, Trinidad und Tobago, die Bahamas und Belize weisen konstant die höchste Zahl an Morden auf. Der jüngste Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung zeigte, dass die Region „in den letzten Jahren den spektakulärsten Anstieg der Mordgewalt erlebt hat, größtenteils aufgrund des intensiven Wettbewerbs zwischen Banden um Drogenmärkte“.

Die Generalsekretärin der Karibischen Gemeinschaft (Caricom), Carla Barnett, nannte die Bandenkriminalität “eine Epidemie“, die mit höheren menschlichen und finanziellen Ressourcen bekämpft werden müsse. Sie warnte vor „den verheerenden Auswirkungen der Gewalt auf die Gesellschaften unserer Mitgliedsländer.“

Die Karibik ist zu einer Transitzone zwischen den Drogen-Anbauländern in Mittel- und Südamerika sowie den Abnehmerländern in Nordamerika und Europa geworden. Experten verweisen auch auf die Bedeutung von Armut für die Organisierte Kriminalität. In vielen Ländern der Karibik wird bis zu einem Drittel der Wirtschaftsleistung im informellen Sektor erzeugt. Darunter leidet ein hoher Prozentsatz der karibischen Bevölkerung, die keinen Zugang zu Wohnraum, Energie-, Gesundheits- und Bildungsdiensten sowie zur Justiz hat.

Viele kriminelle Organisationen haben eine eigene Wirtschaft aufgebaut, die Drogenhandel, illegalen Bergbau, Schmuggel oder Menschenhandel umfasst. Dies ermöglicht ihnen, Arbeitsplätze und Infrastrukturen zu schaffen, die eine soziale Basis für kriminelle Operationen bietet. Durch ihre finanziellen Ressourcen sind die Banden oft besser ausgerüstet als die staatlichen Sicherheitskräfte.

Der seit über 50 Jahren geführte „Krieg gegen die Drogen“ müsse als verloren anerkannt werden, fordern Experten. Román David Ortiz Marina, Berater und Professor für lateinamerikanische und europäische Sicherheitsfragen, kritisiert, dass das Phänomen immer noch ausschließlich als eines des Organisierten Verbrechens eingestuft wird. Dies unterschlage die sozialen Ursachen und die mittlerweile enormen politischen Auswirkungen, wenn Staaten die Kontrolle über ihre Territorien verlieren.

Dagegen wehren sich die einzelnen Staaten. Die Nationalversammlung der Bahamas hat Anfang April eine Reihe von Gesetzesverschärfungen verabschiedet. Künftig können Aktivitäten für das Organisierte Verbrechen mit Geldstrafen von bis zu 100.000 US-Dollar und bis zu 25 Jahren Haft bestraft werden. Tätowierungen, Körpermarkierungen, Zeichen oder Kleidung können von Gerichten als Nachweis für die Mitgliedschaft in einer Bande ausgelegt werden.

In Teilen von Belize ist im März 2024 wegen zunehmender Gewalt der Ausnahmezustand ausgerufen worden. Generalgouverneurin Dame Froyla Tzalam hat ihn wegen Bandenaktivitäten für den Süden der Hauptstadt Belize City und für Teile des Cayo-Distrikts verhängt. In Belize liefern sich vor allem die in den USA gegründeten Banden ‚Bloods‘ und ‚Crips‘ blutige Auseinandersetzungen.

Die Dominikanische Republik selbst zählt zu den sichersten Ländern der Region. Doch die geografische Lage mit der Grenze zu dem im Bandenchaos versinkenden Haiti macht das Land zu einem wichtigen Umschlagplatz für Kokain. Eine zentrale Rolle im internationalen Drogenhandel spielt die 1989 von dominikanischen Häftlingen in den USA gegründete Gang ‚Trinitarios‘, die heute mehr als 30.000 Mitglieder haben soll. Sie sind in den USA, Spanien und Italien aktiv.

Jamaika wurde im Jahr 2023 vom Karibikstaat Saint Kitts und Nevis als Staat mit der höchsten Mordrate der Welt abgelöst. 2023 betrug dort die Mordrate 60,9 pro 100.000 Einwohnern. „Jamaika ist kein Land im Krieg, aber unsere Mordrate, unsere Todesfälle durch Gewalt, entspricht Ländern, die im Krieg stehen“, erklärte Premierminister Andrew Holness. Im Jahr 2017 zählten jamaikanische Behörden 257 aktive Bandenstrukturen. Sie entstanden in den Armenvierteln der Hauptstadt Kingston und begannen mit Erpressung und dem Verkauf von Drogen. Einige der Banden sind mittlerweile zu mächtigen Organisationen herangewachsen, die mit politischen Parteien über den Austausch von Stimmen bei Wahlen und öffentliche Verträge verhandeln.

Auch Trinidad und Tobago hat in den vergangenen Jahren stets zu den Ländern mit den höchsten Mordraten gezählt. 2022 verzeichnete das Land einen Rekord mit mehr als 600 Morden, fast doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. „Es ist ein Krieg, den wir uns nicht leisten können zu verlieren“, betont der Premierminister Keith Rowley. In Trinidad und Tobago wird die Lage durch ethnisch-religiöse Konflikte verschärft. So kämpfen muslimische Banden, wie die ‚Unruly ISIS‘, gegen nicht-muslimische, wie die ‚Rasta City‘.

 

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