Checkliste: Low Profile. Richtiges Verhalten in unsicheren Umgebungen

Sicherheit ist planbar

Der Verhaltenskodex für Reisende in unsicheren Umgebungen

Die Alltagsmobilität der meisten Menschen, ob alt oder jung, Mann oder Frau, erwerbstätig oder arbeitslos, Dörfler oder Städter wird von einer geradezu zwanghaften Regelmäßigkeit beherrscht. Die meisten verbringen die meiste Zeit an nur wenigen Orten und bewegen sich in aller Regel in einem Radius zwischen einem und maximal zehn Kilometer um ihren Lebensmittelpunkt (Wohnung, Haus).

Die Verhaltensmuster eines jeden Menschen sind so individuell wie Fingerabdrücke.
Dies zeigte die Analyse der Bewegungsprofile Zehntausender von Handynutzern durch Wissenschaftler aus Boston unter Leitung des ungarischen Physikers Albert-László Barabási, die zwischenzeitlich von anderen Untersuchungen bestätigt wurde. Demnach lässt sich selbst bei Menschen, die viel und weit unterwegs sind, mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 80 Prozent abschätzen, wann sie wo sein werden. Bei eher wenig reisenden Zeitgenossen lässt sich das (Bewegungs-) Verhalten der nächsten Tage sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von bis 93 Prozent vorhersagen. Das ist alles andere als »Low Profile«!

Das Erkennen und Antizipieren individueller Verhaltensmuster ist die theoretische Grundlage eines jeden Verbrechens, sei es durch gewöhnliche Kriminelle oder durch Staatsverbrecher (Geheime Staatspolizei, Staatsschutz, Finanzamt, Antifa, Nachrichtendienste usw.). Der einzige Schutz dagegen ist es, entweder falsche Spuren oder keine – zumindest jedoch so wenig als möglich – erkennbaren Muster zu hinterlassen. Diese entstehen allein schon dadurch, dass durch Funkfernsprecher (sog. Mobiltelefone, Handys oder Smartphones) aber auch durch elektronischen Zahlungsverkehr (z.B. per Kreditkarten) Verbindungs- oder Metadaten auslesbar werden, die sich mathematisch beschreiben und hochrechnen lassen. Der erste Schritt, um unsichtbar zu werden, ist es, entweder auf diese technischen Hilfsmittel vollständig zu verzichten oder aber keine auf den persönlichen Namen registrierte SIM-Karten (also »nichtregistrierte« Prepaid-SIM-Karten) oder auf den Namen ausgestellte Kreditkarten (also z.B. Prepaid-Kredit- bzw. Guthabenkarten) zu verwenden. Damit das individuell hinterlassene Profil so flach und schwach als möglich ist …

»Low Profile«, dieser Anglizismus ist das Stichwort für eine höchst wirkungsvolle taktische Verhaltensmaßnahme.

»To keep« – oder – »Maintaining a Low Profile« bedeutet deshalb nichts anderes als »sich unauffällig zu benehmen«, um möglichst unsichtbar zu werden. Während des gesamten Auslandsaufenthalts gilt: »Bloß nicht auffallen«, sich also fast unsichtbar machen, sozusagen unter dem feindlichen Radar reisen, wenig Spuren hinterlassen. Wer sich daran hält, kann das Risiko, auf Privat- und Geschäftsreisen oder bei einer Auslandsentsendung Opfer einer Straftat, eines Betrugs oder einer Bloßstellung zu werden, erheblich minimieren.

Die fünf goldenen »Low-Profile«-Regeln

1. Verschwiegen sein. Keine (unnötigen) persönlichen Informationen an Dritte weitergeben.

Sich nicht am Telefon mit Namen oder Funktion melden. Ansonsten nur mit Anrufern sprechen, die entweder persönlich bekannt sind oder deren Identität plausibel überprüft werden kann. Auch sollten keine Reisepläne, Reiserouten, politische oder religiöse Meinungen bzw. Ansichten sowie jede Art von persönlichen Dingen mit Fremden oder Gelegenheitsbekannten diskutiert werden. Auch gegenüber Behörden und Amtspersonen (speziell in »sensiblen« Ländern) sollte man so zurückhaltend wie möglich agieren und beispielsweise bei der Einreise oder am Zoll nicht den geschäftlichen Zweck seines Aufenthalts nennen, vor allem, wenn dieser Zweck vertraulich ist. Besser: auf Einreiseformularen als Reisezweck z.B. die Teilnahme an einer örtlichen Konferenz angeben.

2. Unberechenbar sein. Keine (wiederkehrenden) Muster erkennen lassen; nicht jeden Tag zur selben Zeit am selben Ort sein.

Die täglichen Routinen, wie das Verlassen der Wohnung bzw. des Hotels, der Weg zur Arbeit bzw. zu Kunden sowie die Rückkehr sollten nach dem Zufallsprinzip variieren. Ebenso die Kleidung (also nicht jeden Tag den gleichen Anzug tragen und zum Beispiel die Krawatte erst im Büro anlegen). Wer als Geschäftsreisender oder »Expat« im Auto unterwegs ist, sollte Fahrzeuge benutzen, die keine Aufmerksamkeit erregen, außerdem häufig das Fahrzeug und die Fahrtroute wechseln und diese dem Fahrer nach Möglichkeit erst kurz vor der Abfahrt mitteilen. Dann wird man eine kaum greifbare Beute. Wer aber so vorhersehbar ist wie der Sonnenaufgang, ist verwundbar und kann leicht abgefangen werden. Potenzielle Entführer, Kriminelle, aber auch mögliche Spione forschen ihre Opfer meistens nach vorhersehbaren Gewohnheiten aus und schlagen dann im öffentlichen Raum zu (weniger zuhause, im Büro oder im Hotel).

3. Unsichtbar sein. Mit der Umgebung bzw. dem lokalen Umfeld verschmelzen – und sich den Umständen entsprechend verhalten.

Man sollte weder durch Kleidung noch durch Verhalten oder Angewohnheiten auffallen (konservativ kleiden und angepasst verhalten). Jede »Eigenwerbung« hat zu unterbleiben, das heißt: auf teure Markenwaren (Kleidung, Handy, Tasche usw.) sollte ebenso verzichtet werden wie auf glitzernden Schmuck, teure Uhren oder andere Insignien des Reichtums. Jedes Gespräch in der Öffentlichkeit, ob am Telefon oder mit einem Dritten, hat in moderater Lautstärke zu erfolgen, so dass man nicht gleich jedem im Umkreis von hundert Metern signalisiert, wer man ist. Außerdem: Großen Menschenansammlungen, Demonstrationen, Krawallen und Tumulten aus dem Weg gehen. Ebenso sollte man Hochrisikovierteln, rechtsfreien Ausschlussgebieten (»No-go-Areas«) und besonders verrufenen Gegenden fernbleiben, um jede mögliche Bloßstellung oder Blamage zu vermeiden. – Möglichst unsichtbar bleibt aber nur, wer auch möglichst wenig Spuren hinterlässt, weder Daten-, noch Handy- oder DNS-Spuren, weder Spuren im Papierkorb noch im Müll. Anonymität ist eine Schlüsselkomponente der persönlichen Sicherheit auf Reisen.

4. Selbstsicher sein. Wer entschlossen auftritt, stellt (in der Regel) für potenzielle Verbrecher ein schwer einzuschätzendes Risiko dar.

Diese sind an schwachen und »berechenbaren« Opfern interessiert. In einer fremden Stadt sollte man sich mit entschlossenen, zielgerichteten Schritten vorwärts bewegen (ohne den aufgeschlagenen Stadtplan in der Hand). Wer sich verlaufen hat, sollte nicht verunsichert anhalten, sondern so tun, als kenne er sein Ziel. Ansonsten sollte man sich nur bei erkennbaren Amtspersonen (Polizisten) nach dem Weg erkundigen. Relativ sichere Auskunftsgeber sind aber auch Familien oder Frauen mit Kindern. An besonders gefährdeten Orten bleibt man nach 18 Uhr ohnehin lieber zu Hause.

5. Wachsam sein. Man sollte immer wissen, was um einen herum passiert, immer in den imaginären Rückspiegel schauen.

5.1. Als Fußgänger

Unbewusst halten die meisten Personen im alltäglichen gesellschaftlichen Umgang einen Respektabstand zu anderen Mitmenschen, auf dessen Einhaltung Wert gelegt wird. Diese gesellschaftliche Distanzzone umfasst einen Bereich zwischen ein und drei Metern. Wird dieser »Cordon sanitaire« (Sicherheitsgürtel) verletzt, indem ein Fremder respektlos diese unsichtbare Grenze durchbricht, empfinden noch die meisten Menschen dies als unangenehm oder gar als bedrohlich. Andererseits hat der vollständig zivilisierte, das heißt verstädterte und auch verweichlichte Mensch das Sensorium und die noch aus Urzeiten stammende Programmierung für Gefahrenerkennung und Distanz verloren:

Mit dem Earset des Smartphones die Gehörgänge verstopft, schlendert er arglos durch die Straßen, ohne überhaupt wahrzunehmen, was um ihn herum geschieht. Er – der verstädterte und verweichlichte Stadtmensch – hat den überlebenswichtigen 360°-Rundumblick verloren. Doch Abstand, das heißt angemessener und sicherer Abstand, ist ein entscheidendes Überlebenskriterium auf der Straße. Denn ein potenzieller Täter oder Verfolger, möchte er nun rauben, angreifen, fesseln, vergewaltigen oder verletzen – kann dies nur dann erreichen, wenn er nah genug am Opfer dran ist – und damit den Überraschungseffekt auf seiner Seite hat. Wenn der potenzielle Angreifer, der als solcher nicht sofort erkennbar sein muss, nur noch eine Armlänge vom Opfer entfernt ist, bedarf es weniger Sekundenbruchteile, um einen gezielten Faustschlag zu setzen. Bei einer Reaktionszeit von mindestens 0,25 Sekunden bleibt dem Opfer keine Chance mehr zur Abwehr. Sei es die Bitte um Feuer oder Zigaretten, um eine Zeitauskunft (»können Sie mir sagen, wie spät es ist«), die Frage nach dem Weg oder das Betteln um etwas Kleingeld (»hast Du mal ‘nen Euro«) – dies alles hat den Zweck, die gesellschaftliche Distanz zu unterschreiten. Beim berühmt-berüchtigtem »Nelkenverkäufer-Trick« wird dem ausgespähten Opfer eine Blume an die Kleidung geheftet, die man dann bezahlen soll … und so weiter. Das Ergebnis all dieser Manöver ist klar: die Gauner möchten ihrem Gegenüber so nah als möglich auf die Pelle rücken, dass am Ende ein Geldbeutel (oder ein sonstiger Wertgegenstand) unbemerkt den Besitzer wechselt.

Das bedeutet zusammenfassend: Äußere Wachsamkeit und ein Gefühl für alles, was in der Umgebung passiert, können entscheidend sein, um sich heil seinen Weg – auch durch unbekannte Gegenden bahnen zu können. Niemals sollte man blindlings durch die Gegend stolpern, sondern die Lage mit einem »360°-Rundumblick« stets im Griff halten. Dann bleibt im Notfall immer noch ausreichend Zeit zur Flucht. – Auch das ist eine wichtige Taktik im Rahmen der »Low Profile«-Strategie.

5.2. Als Autofahrer

Ähnliches gilt auch für den Autofahrer: Dass dem allgemeinen Straßengeschehen ohnehin höchste Aufmerksamkeit zu widmen ist, ist selbstverständlich. Auch hier heißt die operative Vorgehensweise, »sich so unsichtbar als möglich machen«. Das bedeutet etwa, sich mit Dränglern kein Asphaltrennen zu liefern. Diese dürfen ruhig überholen, wann immer es die Umstände erlauben. Stattdessen schwimmt man selbst unauffällig im Verkehrsstrom mit; so entgeht man weitgehend der Aufmerksamkeit der Verkehrsüberwachung.

Denn Polizisten werden sich eher mit Rasern, Dränglern oder Geisterfahrern beschäftigen. An Ampeln und Halte- bzw. Stoppschildern hält man immer eine halbe oder – besser noch – eine knappe Wagenlänge Abstand zum Vordermann. So kann man im Fall einer Gefährdung ausweichen und/oder fliehen. Deshalb sollte man auch stets auf die Gefahr achten, eingekeilt zu werden. Bahnt sich so etwas an, dann nimmt man keine Rücksicht und sucht das Weite.

Überhaupt: Wichtig – insbesondere in einer fremden Umgebung – ist die Frage, ob man verfolgt wird oder nicht. Natürlich ist man in einer unbekannten Umgebung zunächst im Nachteil, weil man nicht wissen kann, welche Zustände üblich und welche ungewöhnlich sind. Hier sollte man sich der (etwas vereinfachten) »goldenen Regel« der Gegenüberwachung (bzw. Gegenspionage) erinnern: Sieht man dieselbe Person oder dasselbe Auto zweimal, zu unterschiedlichen Zeiten oder an verschiedenen Orten, wirst man wahrscheinlich verfolgt; geschieht dies dreimal, wird man sicher verfolgt!

Sowohl Nachrichtendienste als auch Kriminelle (evtl. potenzielle Entführer) forschen Schwachstellen ihres Zielobjekts zur operativen Vorbereitung systematisch aus. Insbesondere haben sie es auf die Analyse und das Erkennen wiederkehrender Muster abgesehen (s. Einleitung oben). Doch man kann mit der gleichen Methodik potenzielle Angreifer oder Verfolger mit ihren eigenen Waffen schlagen: man wird seine professionellen Verfolger kaum am Äußeren erkennen, man kann sie aber aufgrund ihres Verhaltens enttarnen. Aufgrund eines Verhaltens, das auch ganz bestimmten, sich wiederholenden Mustern folgt.

Äußerste Wachsamkeit und Aufmerksamkeit sind die Schlüssel des Überlebens …

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